Von Herbert Horbrügger
Nachdem einige Piloten des Fliegerklubs Brandenburg e.V. (FKB) auch schon in den letzten Jahren sogenannte Wellenflüge in den hochreichenden Aufwinden im Lee des Harzes und der Mittelgebirge ausführen konnten, startete Ende Oktober diesen Jahres eine kleine Gruppe zur einer Segelflug-Expedition in den größtenteils an der polnisch-tschechischen Grenze verlaufenden Sudeten-Gebirgszug, einem Gebiet das besonders geeignet für Wellenflüge ist.
Die Mittelgebirgskette der Sudeten beinhaltet verschiedene Einzelgebirge. Kurz hinter Görlitz in östlicher Richtung beginnt die Kette mit dem Riesengebirge, gefolgt vom Eulengebirge, dem Reichensteiner Gebirge und dem Altvatergebirge.
Mit den ersten Herbststürmen bilden sich im Lee dieser Gebirge hochreichende, so genannte Wellenaufwinde, in denen die Segelflugzeuge bis in Höhen von über 7.000m aufsteigen können. Zum Vergleich: Ein Passagierflugzeug fliegt im Reiseflug in ca. 10.000m Höhe.
Das Phänomen wird auf als Föhn bezeichnet. Die Luft wird durch starken Wind im Lee der Berge in das Tal hinunter gedrückt, erwärmt sich dabei, trocknet ab, die Wolken lösen sich örtlich auf, es entsteht der Föhn-Effekt. Im Lee der Berge steigt die warme Luft dann einige Kilometer hinter dem Gebirgskamm wieder nach oben und erzeugt einen Aufwind der sich in Form einer Wellenbewegung fortsetzt und Aufwinde bis in große Höhen erzeugt.
Erstmalig wurde dieser Effekt 1937 vom deutschen Physiker und
Flugpionier Joachim Küttner
bei einem Flug im Lee der Schneekoppe entdeckt und beschrieben. Mittlerweile
haben sich die meteorologischen Kenntnisse und die Leistungsfähigkeit der
Segelflugzeuge wesentlich verbessert, so dass in den Wellen auch weitreichende Überlandflüge
möglich sind.
Für die eher im brandenburgischem Flachland fliegenden Segelflieger des FKB bleibt das Erfliegen dieser Leewellenaufwinde immer etwas Besonderes. Die Flugtechnik in den teilweise über 20-40 km reichenden starken Aufwindgebieten der Leewellen unterscheidet sich von der im Sommer üblichen Methode, in der Thermik kreisend Höhe zugewinnen. Die Kunst beim Überlandflug besteht darin, das Flugzeug in den Aufwindlinien zu halten und die ebenfalls vorhandenen starke Abwindgebiete im absteigenden Teil der Welle zu meiden.
So starteten Ende Oktober vier Piloten des FKB mit 3 Flugzeugen ihre zwei-wöchige Reise zum Flugplatz Mikulovice nach Tschechien. Der ansässige Aeroklub Jesenik (Freiwaldau) organisierte dieses Jahr nach zwei-jähriger Corona Pause erstmals wieder ein „WaveCamp“, mit Unterkunft, Flugbetrieb, Reservierung des Luftraums für Höhenflüge und der Startmöglichkeit im Flugzeugschlepp.
Der Flugplatz befindet sich am Fuß des Altvatergebirges vor den
Bergen Šerák und Praděd
(dt. Altvater), deren Lage den Einstieg in die Leewellenaufwinde begünstigt.
Da die in der Regel die hohe Windgeschwindigkeit in der Höhe von 70-90km/h
(8-10Bft) auch erhebliche Bodenturbulenzen in so genannten Rotoren erzeugt, ist
ein Einweisungsflug und ein vorsichtiges Erfliegen dieses Gebietes unbedingt
notwendig.
Nach Überwinden der Turbulenzzone geht es dann gleichmäßig aufwärts, über die unteren Wolkenschichten hinweg, bis auf Höhen von 4000m bis 7000m. Die Segelflugzeuge sind mit Atemsauerstoff ausgerüstet, der ab einer Höhe von 3000m für die Piloten zwingend erforderlich wird um eine Höhenkrankheit mit Orientierungsverlust zu vermeiden.
Aus diesen großen Höhen lassen sich dann Überlandflüge zu den nächsten Gebirgsgebieten der Sudeten durchführen. Interessantes Ziel sind die gut ausgeprägten Leewellen an der Schneekoppe im Riesengebirge. Der Flug verläuft dann entlang des Eulengebirges über die ehemaligen Festungen Glatz und Silberberg (Foto). Dann der Sprung gegen den Wind zur Schneekoppe.
Dort sind die Aufwinde mit bis zu 3-5m/s am stärksten, bis die Obergrenze des geschützten Wellenluftraums von 6800m erreicht ist, geht es dort aufwärts wie in einem Hochhausaufzug. Bei guten Bedingungen lässt sich der Flug dann bis zur deutschen Grenze kurz vor Görlitz ausweiten. Zurück in östlicher Richtung erstreckt sich das Wellengebiet über ca. 240km bis zur tschechischen Großstadt Ostrava.
Die weitesten Flüge der Brandenburger wurden am 30. Oktober mit Strecken von über 900km in knapp 9 Std Flugzeit durchgeführt. Für die Piloten Herbert Horbrügger, Max Michaelis und Michael Scholz waren das ihre weitesten jemals im Segelflug erreichten Strecken.
Durch die geringere Luftdichte in Höhen von 5000m – 7000m vermindert sich der Luftwiderstand des Segelflugzeuges. Dann kann ein Segelflugzeug im Gleitflug Geschwindigkeiten bis über 300km/h Grundgeschwindigkeit erreichen. So schnell wie ein Rennwagen, jedoch ohne Motorkraft nur durch Ausnutzung der Aufwindlinien.
Aus diesen großen Höhen reichte die Fernsicht mit dem Blick nach Osten bis zur hohen Tatra, im Süden konnte man schemenhaft die aus der Wolkendecke herausragenden ca. 350km entfernten Alpen erkennen.
Neben den großen Flugleistungen war das eindrucksvolle Wolkenpanorama mit Blick auf die linsenförmigen Leewellen-Wolken, das ruhige gleichmäßige und starke laminare Steigen in der Welle und die Fernsicht ein unvergessenes Erlebnis für die Brandenburger Segelflieger.
Angefüllt mit diesen Eindrücken war der Ausflug in die Sudeten ein krönender Abschluss der diesjährigen Segelflugsaison. Ab Ostern des nächsten Jahres beginnt die neue Flugsaison, dann erstmal wieder unter den Cumuluswolken im heimischen Brandenburg.